Schritt für Schritt nachhaltig

Das Caffè Stivale im Herzen der Mainzer Altstadt

Der Tag von Katharina Stiefel beginnt mit einem Ingwer-Tee. Das ist insofern ungewöhnlich, weil sie die Inhaberin des Caffè Stivale im Herzen der Mainzer Altstadt ist. „Aber wenn ich dann im Caffè bin und die Maschine warm gelaufen ist, dann trinke ich natürlich Kaffee. Am liebsten einen Cappucino, stark und mit nur wenig Milch,“ erzählt Stiefel lachend.

Die ausgebildete medizinisch-technische Assistentin hat 22 Jahre für einen amerikanischen Konzern gearbeitet, davon 8 Jahre in den USA. „Dann kam ein neues Management, das Personal abbauen sollte“, berichtet Stiefel, und so fand sie sich plötzlich beschäftigungslos in einer sieben-monatigen Freistellung. „Da habe ich überlegt, was ich jetzt beruflich machen will. Klar hätte ich wieder bei einem internationalen Konzern anheuern können, aber vielleicht bietet sich ja auch die Möglichkeit  mal was ganz anderes zu machen - näher an zu Hause .“ Ihre Wege durch die Mainzer Altstadt, wo sie auch wohnt, brachten sie regelmäßig an einer kleinen Kaffeebar in der Augustinerstraße vorbei, und diese stand gerade zu diesem Zeitpunkt zum Verkauf. Die Verhandlungen waren nicht leicht, aber sie glückten, und so wurde aus der Managerin eine CaffèBetreiberin.

Katharina Stiefel in ihrem Caffè Stivale - Mainzer Volksbank
Die Inhaberin Katharina Stiefel in ihrem Element. (Für das Foto hat Frau Stiefel die Maske abgenommen, die sie sonst trägt. Zu dem Zeitpunkt war kein Kunde im Laden.)

Mit Paul Bonna von der Kaffeekommune hat sie sich viel unterhalten, und über ihn Dominic Müller von der Kaffeerösterei Müller kennengelernt. Bonna half ihr beim Start, und Müller beim Kaffee. Denn Kaffee ist nicht gleich Kaffee und Milch auch nicht gleich Milch! So gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einer Trommelröstung und einer Industrieröstung sowie auch zwischen H-Milch und Bio-Frischmilch. Wenn Lebensmittel besonders wenig kosten, dann ist ja die Frage welchen Anteil jeder einzelne in der Herstellungskette  davon erhält - ganz speziell hier die Kaffeebauern oder Milchkuhbesitzer  „Bei einem Preis von sieben Euro pro Kilo Kaffee, da muss man sich doch fragen wie ein Kaffeebauer in den Anbauländern davon leben soll“, erläutert Stiefel. Und so entschließt sie sich, ihr Caffè an nachhaltigen Gesichtspunkten auszurichten. Mit Müller entwickelt sie eine eigene Kaffeeröstung, die er nur für Caffè Stivale röstet. Klar, die Bohnen müssen von anderen Kontinenten geliefert werden, weil Kaffee hier nicht wächst, aber den Rest der Wertschöpfung will sie in der Region halten.

Bereits von Beginn an verwendet sie biologisch abbaubare Kaffeebecher für das Mitnahme-Geschäft. „Aber auch die brauchen Jahre, bis sie abgebaut sind,“ erklärt Stiefel ihren nächsten Schritt. Ende 2018 nimmt sie Kontakt auf zu Recup, einem Münchener Start-Up für Pfand-Geschirr. Dazu gehören Plastikbecher, die bis zu 2000-mal gespült werden können. Wenn ein Kunde sich dafür entscheidet, zahlt er Pfand, nimmt den Becher mit und kann ihn, wenn der Kaffee getrunken ist, beim nächsten Laden abgeben. „Da braucht es schon ein paar Anlaufstellen in Mainz, sonst funktioniert das ja nicht für den Kunden. Aber inzwischen sind einige Läden dabei“, erklärt die Inhaberin. N‘Eis zum Beispiel, die Müller-Cafes, beide Alnatura-Läden, Lille Hus, Dicke Lilly. „Und bundesweit alle Aral- und Shell-Tankstellen. Wenn ich einen Kunden anspreche, und der sagt, er kommt nicht von hier, dann erwähnen wir die vielen Möglichkeiten der Rückgabe und das ist oft erfolgreich.“ weiß Stiefel.

Leckereien im Caffè Stivale in Mainz - Mainzer Volksbank

Aber Überzeugungsarbeit ist es auf jeden Fall. An die Pappbecher sind die Menschen gewöhnt, einen Plastikbecher nicht wegzuwerfen, sondern bis zur nächsten Abgabestelle mitzunehmen, wollen einige nicht. „Wenn wir im Gespräch nicht erfolgreich sind, haben wir Infokarten von Recup. Die geben wir den Kunden mit, und viele kommen dann beim nächsten Mal und porbieren es aus.“ Dennoch überlegt Stiefel, ob sie die Pappbecher ab 2022 bepreist. Denn Wegwerfbecher muss sie einkaufen und auf den Kaffeepreis umlegen. Dass dann auch umweltbewusste Kunden für die anderen mitzahlen, findet sie nicht gerecht. „Wer einen Pappbecher  will, bekommt auch einen, das wird so bleiben. Aber wir werden weiterhin daran arbeiten die Müllmenge der Einwegbecher Kunde für Kunde zu reduzieren - denn 320.000 weggeworfene Kaffeebecher pro Stunde in Deutschland ist echt nicht tragbar! “, meint Stiefel. Schließlich sind nicht nur die Becher, sondern auch die Kaffees nachhaltig, und mit Liebe entwickelt und zubereitet.
Allerdings waren die Becher anfangs auch eine finanzielle Belastung. Eine hohe dreistellige Stückzahl hat sie zu Beginn gekauft und in Umlauf gebracht. Finanziert hat sie ihren Sprung in die Selbstständigkeit sowie die Anschaffung von nachhaltigen Produkten mit der Mainzer Volksbank, die ebenfalls Nachhaltigkeit als Teil ihres Unternehmenskonzepts sieht, der nun noch stärker in den Fokus rückt. Katharina Stiefel freut sich jedenfalls über das Interesse ihrer Bank an ihrem nachhaltigen Ansatz. „Die MVB war meine erste Bank. Mit 15 habe ich in Ebersheim mein Konto eröffnet, die Mini-Scheckkarte mit Bild zum Geld-Abheben habe ich sogar heute noch“, freut sich Stiefel. „Zur Nachhaltigkeit gibt es gar keine Alternative. Wir können als Menschheit nicht so weitermachen wie bisher, dafür langen die Ressourcen der Erde ja gar nicht“, ist sie sich sicher. Aber wenn viele Menschen, da wo sie sind, etwas unternehmen, dann können sie damit auch etwas verändern. Guter, fairer Kaffee aus nachhaltigen Bechern ist so eine Veränderung.

Von: Theo Bender, Referent Online-Kommunikation